Götze? Malli? "Nicht das Gefühl, da nicht mithalten zu können"

Serie - Teil 40: (Zu) viele Verletzungen verhinderten bei Dustin Ernst den Sprung nach ganz oben +++ Seine Spielerkarriere musste er schon mit 26 beenden +++ Heimweh im Freiburger Internat

Wer mit Dustin Ernst sprechen will, der sollte das gut vorplanen. Denn der 29-Jährige ist ein vielbeschäftigter Mann. In der Immobilienbranche ist das einstige große Wiesbadener Fußballtalent mittlerweile unterwegs, kümmert sich deutschlandweit vor allem um Vermarktung und Verkauf von Kommunalimmobilien. "Ich bin sehr glücklich damit", sagt er. Der Job habe ihm dabei geholfen, mit dem Fußball emotional abzuschließen. Ein Schritt, der nicht einfach war, Ernst aber nach eigenem Befinden enorm gutgetan hat. Denn es ist gar nicht so lange her, da schnupperte Ernst noch am großen Traum: Fußballprofi.

Geboren in Wiesbaden-Dotzheim, aufgewachsen im Kohlheck, gelangte Ernst über den SC Kohlheck und die Spvgg. Nassau in der C-Jugend zum SV Frauenstein. Dort spielte er in einem Jahrgang mit anderen Talenten wie Amin Ahmed oder Bilal Marzouki, den wir im Rahmen dieser Serie ebenfalls porträtiert haben, groß auf. Es folgten Einladung zur Hessenauswahl, schließlich der Wechsel in die U17 der Offenbacher Kickers.

Eine Woche allein in Freiburg

Am Bieberer Berg spielte Ernst zwei Jahre lang B-Junioren-Bundesliga. Er stieg zwar ab, hinterließ jedoch bleibenden Eindruck: "Ich hatte eine super Saison gespielt". Der SC Freiburg war auf ihn aufmerksam geworden, Ernst fuhr eine Woche zum Probetraining in den Breisgau. Während alle anderen noch zur Schule gingen, hatte Ernst - in Hessen hatten die Ferien bereits begonnen - außer Fußball nicht viel zu tun. Und viel Zeit zum Nachdenken. Nach einer Woche kontaktierte er seine Eltern. Sein Auftrag: Holt mich sofort von hier ab. "Das Internatsleben war gar nichts für mich. Ich habe meine Familie sehr vermisst", erinnert sich Ernst.

In Offenbach war man sauer

Ernst wollte sich wieder in Offenbach anmelden, doch dort war man offenbar noch sauer über dessen Stippvisite in Freiburg. "Die wollten mich nicht zurück", sagt Ernst. Ohne zu diesem Zeitpunkt bei einem Verein gemeldet zu sein, spielte er für die Hessenauswahl beim Länderpokal mit. Ein Turnier, bei dem er nach eigener Aussage also gar nicht hätte mitspielen dürfen, läutete Ernsts beste Phase als Talent ein. Technisch gut, fleißig und mit viel Speed gesegnet, sorgte er auf den Außenbahnen für Furore.

Beim Turnier werden Frankfurt und Mainz 05 auf den Wiesbadener aufmerksam. Volker Kersting, NLZ-Chef der Nullfünfer besuchte die Familie Ernst zuhause, zeigte Perspektiven auf. Doch Ernst entschied sich für Frankfurt, nahm zudem zweimal an Lehrgängen der U18-Nationalmannschaft teil. Götze war dabei, Shkodran Mustafi, Yunus Malli, Marvin Plattenhardt oder auch ter Stegen. Diverse Cracks, die es später zu Profis oder gar Weltstars schaffen sollten. "Ich hatte nicht das Gefühl, da nicht mithalten zu können", sagt Ernst.

"Immer war irgendetwas"

Doch es waren die A-Jugend-Jahre bei der SGE, als Ernst begann, zu realisieren: Sein Körper spielt für Profisport einfach nicht mit. "Immer war irgendetwas", hadert er mit seiner Verletzungshistorie. In seiner Frankfurter Zeit reihte sich ein (langfristiger) Ausfall an den nächsten: Muskelfaserrisse, Leistenbruch, Schambeinentzündung, Pfeiffersches Drüsenfieber. Auch wenn ihn seine Trainer Slaven Skeledzic (nun Talentetrainer beim FC Bayern) und Alex Schur bei der Regionalliga-U23 stets unterstützten, war irgendwann bei der SGE keine Perspektive mehr.

Ein Jahr lief er für den FSV Frankfurt in der 2. Mannschaft in der Hessenliga auf, traf am Bornheimer Hang in 35 Spielen 14 mal. Ehe mit die TuS Koblenz das Abenteuer Regionalliga unter Profibedingungen lockte.

"Man hat gemerkt, dass die Stadt diesen Verein lebt", zeigt sich Ernst vom Drumherum und der Fankultur am Deutschen Eck angetan. Nur sportlich lief es mäßig. Am Ende stieg die TuS ab. "Die Mannschaft war in Ordnung, aber wir hatten einfach zu wenig Qualität", erinnert er sich.

Zweites Standbein

Ernst, zu diesem Zeitpunkt bereits 23, begann, sich abseits des Feldes ein zweites Standbein aufzubauen. Er fing ein Sportmanagement-Studium an. Parallel spielte er beim damals von üppigen Sponsorengelden alimentierten SV Wiesbaden ein Jahr Hessenliga unter Trainer-Oldie Djuradj Vasic. Anders als andere Kollegen kam er gut mit dem Trainer der ganz alten Schule aus. Doch nach einem Jahr zog sich der Sponsor in den Hintergrund zurück, der SVW stürzte in die Gruppenliga ab.

Thomas Brendel lockte Ernst gemeinsam mit Sturmkollege Younes Bahssou zu Borussia Fulda. Ein ambitionierter Verein, der genau wie der SVW ein Jahr zuvor Richtung Regionalliga-Aufstieg schielte. Es gab gutes Geld, dazu eine Tankkarte, später gar ein Auto, um täglich aus der Landeshauptstadt nach Osthessen zu pendeln. Doch mit dem Aufstieg wurde es nichts, so Ernst, weil der Verein zauderte, nicht gänzlich auf starke Spieler von außerhalb der Region zu setzen. Parallel kam das Verletzungspech wieder. Erst riss sein linkes Kreuzband, im dritten Spiel nach dem Comeback dann das rechte. Der 28. April 2018: Das Borussia-Auswärtsspiel in Vellmar mitsamt Verletzung waren Ernsts letzte 65 Minuten als Aktiver - und dabei wird es auch bleiben.

"Ich will nicht mehr"

Um es nach der Verletzung nochmal zu probieren, heuerte er als Vertragsamateur bei Hassia Bingen an. Doch nach nur wenigen Trainingseinheiten stellte Ernst für sich fest: "Ich will nicht mehr". Seitdem hat man den heute 29-Jährigen nur noch an der Seitenlinie gesehen. Bei der TSG Wörsdorf fungierte Ernst zwei Jahre als Trainer in der Gruppenliga. Mehr, um Kumpel und dem damaligen Coach Pascal Sand einen Gefallen zu tun und mit ihm eine Mannschaft aufzubauen.

Für einen, der bislang nur (semi-)professionelle Bedingungen gewohnt war, ein weiterer Schritt um zu sehen: Es gibt auch noch ein Leben abseits des Fußballs. Spieler, die während der Saison in den Urlaub fahren, nicht jedes Mal im Training sind. Für Ernst war das anfangs noch schwierig zu verstehen. Doch es hat ihm geholfen, sich weiter vom einst angestrebten, "großen" Fußballgeschäft zu distanzieren.

Sein Zeit im NLZ will er dennoch nicht missen. "Der Fußball mit all seinen Facetten ist doch die beste Vorbereitung auf das echte Leben", sagt er. Alles für einen Traum zu investieren, teamfähig zu sein und Verantwortung zu übernehmen. "All das", sagt Ernst, "hat mich geprägt".

Quelle: FuPa.net

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